Malerei

Das Malen sei ein guter Ausgleich zu den Beanspruchungen eines mitunter beschwerlichen Berufsalltages, hört man gelegentlich. Das mag man so empfinden und auch so praktizieren und sicher ist dagegen nichts einzuwenden, im Gegenteil. Es gibt aber noch eine andere Sichtweise und zwar, dass in der Auseinandersetzung mit der Welt, mit dem Leben, mit den Dingen, die um uns sind, das Sehen und das Verstehen geschärft wird, dass Blicke „hinein“ und Blicke „dahinter“ möglich werden. Gerade diese Blicke „hinein“ und „dahinter“ sind Voraussetzung und wesentlicher Bestandteil ärztlichen Sehens, Denkens und Handelns. Auf diese Weise ist jede Beschäftigung mit den Bedingungen und den Ausdrucksformen des Lebens kein Ausgleich, vielmehr eine Ergänzung jeder bewussten Lebenswahrnehmung.

Keineswegs wird man jeden Versuch einer kreativen Auseinandersetzung mit den Architekturen des Lebens sogleich als Kunst bezeichnen wollen. Darum geht es gar nicht. Die Ursache eines solchen Missverständnisses liegt im heutigen Kunstverständnis, nach dem sich die Kunst zu einem gewissen Eigenwert verselbständigt hat und nicht mehr so sehr als Dienst am Leben und als ein Beitrag zur Lebensgestaltung empfunden wird. Letzteres aber lieferte den Grund, von der ärztlichen Kunst zu sprechen, wobei es nicht um die Selbstdarstellung des Arztes geht, sondern um die Demut gegenüber dem Leben und die Verantwortung gegenüber dem Menschen, dem Patienten.